Wer zahlt die Rechnungen, wenn das Gehalt nicht ausreicht? Glaubt man der Bundesagentur für Arbeit und einer von ihr veröffentlichten Studie sind es weniger die Unternehmen als vielmehr der Staat in Form von Transferleistungen und die 400-Euro-Jobs, die Beschäftigte und auch ALG-I- und Hartz-IV-Empfänger annehmen, um ihr Einkommen aufzubessern. So stieg die Zahl der geringfügig Beschäftigten bis September 2010 auf 7,3 Millionen. Dabei sind es knapp zwei Drittel, die ausschließlich einem 400-Euro-Job nachgehen, während ca. 2 Millionen Arbeitnehmer ihr (zu geringes) sozialversicherungspflichtiges Einkommen mit einem Minijob aufbessern. Dies sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisch. Schließlich würden zahlreiche Unternehmen vor allem aus den Bereichen Gastronomie, Handel und Gesundheitswesen immer mehr Voll- und Teilzeitstellen in Mini- und Midi (also 800-Euro)- Jobs umwandeln. Geht man davon aus, dass der größere Teil der 400-Euro-Jobber nur diese Einnahmequelle hat und bedenkt, dass man mit einem Mini-Job nicht sozialversicherungspflichtig ist, wird man sich in diesem Zusammenhang auch vorstellen können, dass weder Renten- noch Krankenkassen von diesem "Jobwunder" profitieren. Aber auch jene, die zu ihrem Teil- oder Vollzeitjob eine geringfügige Beschäftigung aufnehmen müssen (und nicht wollen), sind für den DGB Ausdruck einer fehlgeleiteten Arbeitsmarktpolitik Schlechte Eingliederungschancen oder Möglichkeit zur Gehaltsaufbesserung Unternehmen und Forschungsinstitute sehen in der Zunahme der Minijobber eher ein Zeichen dafür, dass zahlreiche Arbeitnehmer die Chance auf einen steuer- und abgabenfreien Zusatzverdienst ergriffen hätten. Aber auch für Arbeitgeber lohnen sich geringfügige Beschäftigungen. So zahlen sie nur einen Pauschalbetrag für die Renten- und Krankenversicherung und können weiterhin auch aufgrund der hohen Nachfrage die Lohnschraube eher nach unten drehen als bei sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstellen. Auf der anderen Seite monieren Gewerkschaften, dass 400-Euro-Jobs selten Sprungbrett für eine Voll- oder Teilzeitstelle sind- und dies vor allem nicht für Frauen. Mit Hintergrund der Forderung einer Frauenquote in deutschen Unternehmen mutet diese Zahl noch nachdenklicher an. Aber auch für Arbeitslose sehen Kritiker in der 400-Euro-Regelung keineswegs einen signifikanten Beitrag zur Aktivierung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Insgesamt sei das Minijob-Wunder ein Maxi-Betrug und mache aus Deutschland ein Land der Dumpinglöhne. Arbeitnehmerfreizügigkeit und Zweitrundeneffekt Dabei sind es auch äußere Faktoren, die auf die innerdeutsche Arbeitsmarktpolitik drängen. So ist es einerseits die zum 1. Mai muss in Kraft tretende, volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürger/innen jener acht osteuropäischen Staaten, die 2004 der EU beitraten, welche den Gewerkschaften Kopfzerbrechen macht. Sie fürchten, dass das Lohndumpimg gerade in jenen Sektoren, die sowieso schon stark von Minijobbern getragen werden, durch Arbeitnehmer/innen aus Osteuropa weiter angeheizt wird. Schließlich würden dort meist Löhne gezahlt, die nur etwa 67 bis gar nur 30 Prozent des deutschen Lohnniveaus erreichten. Dass man damit dem Fachkräftemangel entgegenwirke, sei gerade bei qualifizierten Arbeiten und haushaltsnahen Dienstleistungen nicht der Fall, wo dich hier vor allem "billige" 400-Euro-Jobber arbeiteten. Derweil warnt EZB-Chef Trichet davor, neben der Inflation auch den Zweitrundeneffekt, also das Anheben der Löhne bei steigender Inflation und das gleichzeitige Weitergeben der Unternehmen dieser höheren Personalkosten an die Endverbraucher, im Auge zu behalten. Für 400-Euro-Jobber sind Forderungen nach mehr Lohn momentan eher nicht aktuell- und dies sehen auch die Gewerkschaften so. Sie und politische Gruppen fordern eher eine Abkehr von der 400-Euro-Job-Inflation und ein Hinwenden zu mehr Teil- und Vollzeitstellen. Marcello Buzzanca |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 15 KW 17 | 27.04.2011 |
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